01.10.10
Evangelischer Stadtdekan: "Gegner sind keine Feinde"
Hier der Appell des evangelischen Stadtdekans Hans-Peter Ehrlich im Wortlaut:
Viele Menschen in unserer Stadt und darüber hinaus haben mit großem Erschrecken die Aktionen im Schlossgarten am 30. September 2010 erlebt. Die Bilder in unseren Köpfen sind präsent. Sowohl die Frauen und Männer der Polizei als auch die Demonstranten mussten erleben, dass eine Eskalation nicht abgewendet werden konnte. Die Verhältnismäßigkeit der Mittel in der Auseinandersetzung um Stuttgart 21 ist vorübergehend entglitten und gestört. Menschen wurden in ihrer Würde leiblich und seelisch verletzt. Kinder und Jugendliche kamen zwischen die Fronten. Menschen wurden von anderen Menschen in gute und böse eingeteilt. Wir erleben in diesen Tagen eine große Verunsicherung in der Bevölkerung und verstörte Menschen jeden Alters.
Mit großer Sorge blicken viele auf die kommenden Wochen. Wie ein Grauschleier scheint sich die Auseinandersetzung um Stuttgart 21 über unsere Landeshauptstadt zu breiten. Deshalb appelliere ich an alle Beteiligten, einseitige Schuldzuweisungen zu unterlassen und an ihre Vernunft und bitte um Mäßigung.
Es darf nicht unter uns einreißen, dass wir einander nur noch in Gegner und Befürworter einteilen. Diese Stadtgesellschaft muss zur Besinnung kommen. Ihre Bürgerinnen und Bürger brauchen Besonnenheit. Die starken Persönlichkeiten auf allen Seiten tragen dabei eine besondere Verantwortung.
Die jeweiligen Gegner sind keine Feinde! Diese einfache Wahrheit, die zu unserer Wertegemeinschaft gehört, muss wieder in die Köpfe und Herzen einziehen. Ich bitte die Verantwortlichen zur Besinnung zu kommen.
Anknüpfend an meinen Brief an die Stuttgarter Pfarrerinnen und Pfarrer vom 12. August und die <link aktuelles-hoer-bar aktuelle-nachrichten news>Stellungnahme unseres Pfarrkonvents vom 15. September bitte ich unsere Kirchengemeinden dazu beizutragen, dass die Menschen zueinander finden. Dazu sind unsere Kirchen da. In ihnen beten wir für den Frieden. Auch um den Frieden in zerstrittenen Familien. Stuttgart 21 darf uns nicht so in seinen Bann ziehen, dass keine Zeit und Kraft mehr bleibt für andere gesellschaftlichen Themen mit zum Teil hoher Brisanz. Der Streit um Stuttgart 21 ist nötig, aber in ihm liegt nicht das Heil.
Ich bitte deshalb die Verantwortlichen nicht schlecht übereinander zu reden und um ein erkennbares Zeichen, das den gegenseitigen Respekt unterstreicht, zugleich die Menschenwürde achtet und Kommunikation miteinander wieder ermöglicht.
Pressemitteilung der Landeskirche: Bischöfe rufen zum Ende der Gewalt auf
Rottenburg/Stuttgart. 30. September 2010. Mit Erschütterung haben Landesbischof Frank Otfried July und Bischof Gebhard Fürst auf die Eskalation um das Projekt Stuttgart 21 am heutigen Donnerstag reagiert. Alle Parteien riefen sie dringend auf, unverzüglich vom Einsatz gewalttätiger und illegaler Mittel Abstand zu nehmen.
Wer Verantwortung für den Frieden in der Bürgerschaft trage, müsse bereit sein, zum Tisch des gemeinsamen Gesprächs zurückzukehren. Eine erschreckende Unversöhnlichkeit, wie sie bei den aktuellen Vorgängen zutage trete, erschüttere das Gemeinwesen in seinen Grundfesten. Die Kirchen müssten dem in aller Entschiedenheit entgegen treten, betonen die Bischöfe July und Fürst.