20.07.10

One body – niemand wird von Jesus ausgeschlossen

Mit einem fröhlichen, festlichen, viersprachigen Gottesdienst in der Stiftskirche wurde am 20. Juli die Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes (LWB) eröffnet. Der Präsident des LWB, Bischof Mark Hanson (USA) warb in seiner Predigt um Weltoffenheit und Engagement der evangelischen Christen. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble forderte eine Reform der Wirtschaftsordnung.

Volles Haus beim Festgottesdienst in der Stiftskirche / Foto: Schweizer

Die Stiftskirche Stuttgart war bis auf den letzten Platz gefüllt. Sehr international die Atmosphäre: Inder saßen neben Südamerikanern, Nordeuropäerinnen neben Afrikanern, Chinesinnen neben Stuttgartern. Passend dazu war der Gottesdienst konsequent in vier Sprachen gestaltet: auf eine französische Begrüßung folgte ein spanisches Gebet, auf eine deutsche Bibellesung eine amerikanische Predigt.

 

Ein Podcast mit Klängen aus dem Festgottesdienst und guten Wünschen von Gottesdienstbesucherinnen und –besuchern finden Sie hier.

 

Gemeindegebete und Lieder waren auf dem Liedblatt in diesen vier Sprachen abgedruckt – und siehe da: der viersprachige Gesang funktionierte perfekt, die vielfarbige und vielsprachige Versammlung wurde zu einer großen und fröhlichen Festgemeinde.

 
De amerikanische Prediger, Bischof Mark Hanson, forderte Zurufe aus der Gemeinde gerade zu heraus. Etwa, als er suggestiv fragte: „Sollte es wirklich die Botschaft dieser Versammlung sein, dass wir uns zurückziehen und nur unsere eigene Sicherheit suchen?“ „No“, rief die Gottesdienstgemeinde – und lachte über die ungewohnte Interaktion. Zum Motto der Vollversammlung, der Vaterunser-Bitte „Unser täglich Brot gib uns heute“, sagte Hanson: „Unsere Position ist nicht: gib mir mein tägliches Brot – sondern unser.“ Es gehe nicht um ein „private dining“, sondern um die Gemeinde als „one body“. Niemand werde von Jesus ausgeschlossen, etwa aufgrund seiner sozialen Klasse, seines Geschlechtes, Aids, Armut oder Reichtum, Sprache oder Rasse.

Der Gottesdienst wurde unter anderem von Akteurinnen und Akteuren des teatro piccolo der Evangelischen Jugend Stuttgart, von den Stuttgarter Hymnus-Chorknaben und Stiftskantor Kay Johannsen künstlerisch mitgestaltet.

 

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat im Anschluss an den Eröffnungsgottesdienst  zu einer Reform der Wirtschafts- und Finanzsysteme aufgerufen. „Glaube und Politik können nie zwei komplett voneinander getrennte Dinge sein“, betonte der protestantische Politiker. Politik werde gemacht von Menschen für Menschen – und diese Menschen existierten nicht in einem Vakuum. Religion sei eine der größten Kräfte, die das Leben des Individuums bestimme. Deshalb sei es eine große Herausforderung von modernen demokratischen Ländern, dass die Einsichten, die man durch den Glauben erlange, in den politischen Entscheidungsprozess Eingang fänden. Der christliche Glaube sei geprägt vom Respekt und der Liebe gegenüber den Menschen. Dieser Respekt finde in Deutschland beispielsweise Ausdruck im Grundgesetz.

Es müssten internationale Anstrengungen unternommen werden, um Hunger und Mangelernährung zu überwinden. „Wir in der westlichen Welt müssen lernen, dass wir nicht versagen, wenn wir mit unseren Wachstumsraten hinter China oder Brasilien zurückfallen“, so Schäuble weiter. Die Bitte des Vaterunsers, "unser tägliches Brot gib uns heute", sei als ein Ruf zu verstehen, „Grenzen des Wachstums, Grenzen des Ansammelns von Wohlstand zu akzeptieren.“

Vom 20. bis 27. Juli wird Stuttgart das Zentrum der lutherischen Kirchen weltweit sein. Zur elften Vollversammlung des Lutherischen Weltbundes werden rund 400 Delegierte aus allen lutherischen Mitgliedskirchen in der baden-württembergischen Landeshauptstadt erwartet,  hinzu kommen rund 1600 Gäste aus aller Welt. Der LWB ist eine Gemeinschaft lutherischer Kirchen weltweit. 1947 im schwedischen Lund gegründet, zählt er inzwischen 140 Mitgliedskirchen, denen über 70 Millionen Christen in 79 Ländern angehören.